Das Thema Verteilungsgerechtigkeit statt im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung der Video-Gesprächsreihe „Frauenleben in und nach der Krise“. Hier finden Sie den Live-Mitschnitt der Veranstaltungsreihe.
„Die Corona-Krise hat dazu beigetragen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten mit einer unglaublichen Wucht sichtbar zu machen“ sagte gestern die Direktorin des Renner-Instituts Maria Maltschnig bei der Auftaktveranstaltung der Video-Gesprächsreihe „Frauenleben in und nach der Krise“, eine Kooperation des Renner-Instituts und der SPÖ-Frauen. „Es gibt viele unterschiedliche Dimensionen der Krise, die wir thematisieren wollen. Alle zwei Wochen werden bis zum Sommer in Video-Gesprächen jeweils eine Wissenschafterin und eine Politikerin gemeinsam ein Thema bearbeiten. Der wissenschaftliche Input ist für die politische Diskussion sehr wichtig“ so Maltschnig. Begleitend zur Veranstaltung gibt es Informationen auf der Homepage www.frauenundcorona.at.
Politikwissenschafterin Stefanie Wöhl thematisierte in ihrem Input Lehren aus Krisen der Vergangenheit
„Bisherige Krisen, wie Wirtschafts- und Finanzkrisen haben Frauen immer mehrfach belastet“ so Stefanie Wöhl, Professorin für Politikwissenschaft an der FH des BFI Wien. „Frauen übernehmen den Mehraufwand an Haus- und Kinderbetreuungsarbeit, selbst wenn sie einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Das ist ein Phänomen, das man bei internationalen Krisen wie zum Beispiel nach 2008 in Spanien, in Griechenland, in Irland besonders beobachten konnte, aber auch in Asien oder Lateinamerika in den 90-er Jahren. Krisen verschärfen die finanzielle Abhängigkeit von Frauen und gehen mit einer steigenden Gefahr von Gewalt und Obdachlosigkeit einher.“
Erfreulich ist für Wöhl die Tatsache, dass auch in der medialen Berichterstattung mittlerweile von „systemrelevanter Arbeit“ die Rede ist, die Frauen leisten. In der Genderforschung ist dies seit vielen Jahren empirisch evident erforscht. In der öffentlichen Debatte war „Systemrelevanz“ in der Vergangenheit, so Wöhl, vor allem Managern und Finanzmarktakteuren vorbehalten. So waren es in der letzten Finanzkrise die „systemrelevanten Banken“, die gerettet werden mussten.
Heinisch-Hosek: Die Politik braucht den Input der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft, um solche gesellschaftlichen Krisen zu meistern
„Gerade jetzt brauchen wir einen starken Sozialstaat“, so SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek. Es geht jetzt darum Ungerechtigkeiten aufzuzeigen und daraus politische Entscheidungen abzuleiten. Frauen verdienen weniger und leisten zwei Drittel der unbezahlten Arbeit. „9,5 Milliarden Stunden pro Jahr werden in der Erwerbstätigkeit gearbeitet und fast genauso viel, nämlich 9 Milliarden Stunden fließen in unbezahlte Arbeit. Durch die Krise, deren Folgen uns noch lange begleiten werden, werden diese Ungerechtigkeiten verschärft“, so Heinisch-Hosek.
Besonders akut ist der Bereich der Pflege und die Situation der 24-Stunden BetreuerInnen. Heinisch-Hosek kritisierte in diesem Zusammenhang die Bedingungen, die beim Transport und bei den Quarantänemaßnahmen für rumänische PflegerInnen in der letzten Zeit geherrscht haben. Auch die Kürzung der Familienbeihilfe durch die türkis-blaue Regierung letztes Jahr hat die Pflegerinnen hart getroffen.