Unter dem Motto „Europa der Frauen. Europa den Frauen“ fand am 11.November das 5. Barbara-Prammer-Symposium im Parlament statt, das ganz im Zeichen der im Mai stattfindenden EU-Wahl stand.
In ihren Eröffnungsworten betonte SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner, dass die EU-Wahl „eine frauenpolitisch entscheidende Wahl“ sein werde: „Gemeinsam müssen wir jeden Tag die Menschen in diesem Land und in Europa von der richtigen Sache überzeugen: von unserem Kampf für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Denn die Politik der Bundesregierung und der konservativen Mehrheiten in Europa, die offensiv gegen Frauen und Frauenrechte vorgehen, wird sich erst dann ändern, wenn wir den Kampf für Gleichberechtigung in den Köpfen der Menschen gewonnen haben.“
Zwar habe es in den letzten Jahrzehnten europaweit einige frauenpolitische Fortschritte gegeben, jedoch liege noch „ein breiter Weg vor uns, bis wir dort sind, wo wir sein müssten“, so Rendi-Wagner. Europaweit ist die große Mehrheit der Arbeitskräfte im Pflege-, Reinigungs- und Bürokaufbereich weiblich. „Wenn es aber um Jobs geht, die höher in der Führungsebene sind, die prestigeträchtiger und einkommensstärker sind, dann schaut das Bild ganz anders aus. Die Luft wird für Frauen in diesen Jobs sehr dünn“, kritisierte die SPÖ-Parteivorsitzende und verwies dabei auf die EU-Kommission, in der nur 8 der 27 Kommissarsposten mit Frauen besetzt sind. „Für uns ist Halbe-Halbe nicht nur ein Schlagwort oder eine zynische Überschrift. Es ist unser Recht, es ist das Recht der Frauen in Europa“, unterstrich Rendi-Wagner.
Sowohl auf europäischer Ebene als auch in Österreich in den letzten 12 Monaten gehe „der gesellschaftliche Mainstream nicht gerade Volldampf in Richtung Gleichberechtigung“, warnte Rendi-Wagner. Vielmehr würden „überkommene, überholte Stereotype und Rollenbilder wieder stärker werden“. „Wir sehen, wie schnell diese Rückwärtsentwicklung gesellschaftlicher Natur vonstattengeht, wenn der politische Nährboden stimmt“, verwies die SPÖ-Parteivorsitzende auf die Beschneidung von Frauenrechten in Polen, aber auch auf die frauenfeindlichen Maßnahmen der schwarz-blauen Bundesregierung. Umso wichtiger sei es, in den kommenden Wochen und Monaten gemeinsam den Kampf für mehr Gleichberechtigung in den Köpfen der Menschen zu gewinnen, so Rendi-Wagner.
Beim Eröffnungstalk des 5. Barbara Prammer Symposiums mit der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures, der Bundesfrauenvorsitzenden Gabriele Heinisch-Hosek, der Direktorin des Karl-Renner-Instituts Maria Maltschnig und den beiden EU-SpitzenkandidatInnen Andreas Schieder und Evelyn Regner stand die Bedeutung dieser Europawahl im Zentrum. „Viele politische Kommentatoren erklären, Europa ist in Gefahr. Und das hat viel Wahres an sich, wenn man dem Herrn Vilimsky zuhört, oder dem Herrn Strache“, erklärte Schieder und verwies auch auf Orban in Ungarn und Kaczynski in Polen. Wenn man genauer hinsehe, so sei Europa aber deshalb in Gefahr, weil die soziale Demokratie in Gefahr ist. „Und die ersten, die merken, dass die Demokratie in Gefahr ist und scheibchenweise beseitigt wird, sind sehr oft die Frauen“, sagte Schieder und verwies auf Frauenrechte und Gleichstellung.
Regner betonte, dass die Gleichstellung der Geschlechter und der Respekt gegenüber Frauen „nicht nur Wert und Ziel der EU ist, sondern die DNA der Europäischen Verträge“. Von Anfang an war hier festgehalten, dass es gleichen Lohn für gleiche Arbeit geben müsse. „Da deckt sich ein großes europäisches Ziel mit den Zielen der Sozialdemokratie“, sagt Regner. Zwar wurde sehr viel erreicht, etwa im ArbeitnehmerInnenschutz und im Arbeitsrecht, konkrete Verbesserungen auch für Österreich. „Was allerdings zu beobachten ist, sind zwei Entwicklungen. Auf der einen Seite gibt es auf EU-Ebene tolle Vorschläge, wenn es darum geht, dass Frauen ihre Chancen wahrnehmen können, oder die gläserne Decke durchzubrechen, um Frauen in Führungspositionen zu bringen“, erklärte Regner. Aber bei vielen frauenpolitischen Themen gebe es Stillstand in Mitgliedstaaten, vor allem wenn diese Themen auf nationaler Ebene behandelt werden, etwa in Polen und Ungarn, wo ein Backlash zu erkennen ist. Dem müsse etwas entgegengesetzt werden. „Und daher ist die Europawahl gerade aus Frauensicht eine ganz besonderes wichtige Herausforderung“, betonte Regner.
Bures erklärte, dass eines der zentralen Zukunftsthemen demokratiepolitische Fragen sind. Es beginne, dass in „demokratiepolitisch wichtigen Eckpfeilern“ Sprünge wahrzunehmen sind. „Das ist etwas, wo wir immer wachsam sein und auf die Gefahren hinweisen müssen“, betonte Bures. Es sei festzustellen, dass auch demokratiepolitische Regeln verletzt werden. Demokratie lebe von Dialog, von der Förderung der Partizipation, vom Zuhören, von gegenseitigem Respekt und davon, „gesellschaftlichen Ausgleich und nicht die Konfrontation in den Mittelpunkt zu stellen“. Vieles davon sei „in den letzten Monaten ins Schwinden geraten und es gibt zweifelsohne Luft nach oben, was den Dialog und den gegenseitigen Respekt betrifft“, so Bures. Dies sei auch eine europäische Frage. Man müsse wegkommen vom reinen Krisenmanagement hin zu einer Weichenstellung in Richtung einer „positiven solidarischen Gemeinschaft“ und nicht in Richtung Rechtspopulismus und nationalistische Eigensucht. Diese Europawahl sei ein historisch bedeutender Moment für die Union und auch für nachfolgende Generationen, denn „auch unsere Kinder und Enkelkinder sollen in einer friedlichen und demokratischen Europäischen Gemeinschaft leben können“, betonte Bures.
Heinisch-Hosek erklärte, dass die Liste für die Europawahl sehr jung und sehr weiblich ist. „Die Liste besteht zu 50 Prozent aus Frauen. Von den 42 Kandidatinnen und Kandidaten sind 10 Personen unter 30 Jahre jung. Und davon sind 9 Frauen“, das sei als positive und wichtige „Personalentwicklung“ der Sozialdemokratie zu vermerken. Man müsse die Talente in der Sozialdemokratie fördern. Ein vereintes Europa „birgt ganz viele Chancen für die Jungen, die ja auch mit der EU aufgewachsen sind“, mit Erasmus und anderen Förderprogrammen, die auch Lehrlingen zur Verfügung stehen. Heinisch-Hosek erinnert daran, dass es die Sozialdemokratie ist, die dafür gesorgt hat, dass es mit Frauenrechten vorangeht. „Und wer macht jetzt Stopp, wer macht jetzt Schluss? Das sind die anderen, das sind die, die jetzt an der Regierung sind“, konstatierte Heinisch-Hosek. Es gehe aus Sicht der Frauenvorsitzenden daher darum, bei der Europawahl besonders die Jungen anzusprechen. „Der Profit der jungen Frauen und Männer für dieses Europa muss sich in den Wahlen niederschlagen – und ich bin überzeugt: Das wird es“, sagte Heinisch-Hosek.
Die Direktorin des Karl-Renner-Instituts Maria Maltschnig stellte die Schwerpunktschiene zur EU-Wahlkampagne für Freiwillige und FunktionärInnen unter dem Titel „Campaigning Europe“ vor. Es werde fünf Campaign-Camps mit je fünf Workshops geben. „Es geht um Aktionismus, es geht darum, wie man Hausbesuche macht, es geht um Kommunikation auf Social Media, um Story-Telling. Es geht darum, wie wir uns die Zukunft Europas vorstellen und wie wir Menschen für ein sozialdemokratisches Europa gewinnen können“, erklärte Maltschnig. Morgen, am 12. Jänner findet das erste Campaign-Camp in Wien statt, am 8. Februar in Linz, am 16. März in Innsbruck, am 23. März in Wolfsberg in Kärnten, am 29. März in Hirschwang an der Rax, in Niederösterreich. Anmeldungen unter: post@nullrenner-institut.at. „Alle, die Lust haben, sich im Vorfeld der Europawahl politisch zu betätigen und Werbung zu machen für ein soziales Europa, sind hier herzlich eingeladen, mitzumachen“, erklärte Maltschnig.
Zum Abschluss des 5. Barbara Prammer Symposiums standen die Berichte aus den drei Workshops mit den Spitzenkandidatinnen der SPÖ zur Europawahl Evelyn Regner, Bettina Vollath und Julia Herr auf dem Programm. Begeistert vom Engagement und der Vielfalt der TeilnehmerInnen zeigte sich dabei die Bundesfrauenvorsitzende der SPÖ Gabriele Heinisch-Hosek. Gerade im Bereich der Frauenpolitik sei es notwendig, sich „international und supranational zu vernetzen und die Scheu vor politischen Bewegungen zu verringern.“ Dabei geht es für Heinisch-Hosek auch darum, „das zu verteidigen, was von Rechtskonservativen zurückgedrängt wird.“ Scharfe Kritik äußerte sie an der „Eiskastenpolitik“ der Bundesregierung: Jüngste Aussagen wie jene des Kanzlers, wonach in Anspielung auf MindestsicherungsbezieherInnen in Wien „Papa und Mama nicht aufstehen, sondern nur das Kind“, das in die Schule gehe, sind „eine Beleidigung aller Wienerinnen und Wiener und aller Österreicherinnen und Österreicher.“ Gerade beim Thema Mindestsicherung und Armut zeige sich die Notwendigkeit zum Zusammenhalt: „Es geht um unser Leben und unsere Existenz“, so Heinisch-Hosek, „die lassen wir uns von den Rechtspopulisten, die nur Gier, Neid, Hass und Geiz kennen, nicht nehmen.“
Über „geballte Power und Inputs“ berichtete auch Evelyn Regner aus den von ihr geleiteten Workshop zum Thema „Frauen. Arbeit in Europa“. Dass Österreich „Vizeeuropameister – im negativen Sinn – in Sachen Teilzeitarbeit“ ist, verdeutlicht laut Regner die Notwendigkeit in Bereichen wie Arbeit auf europäischer Ebene „zu schrauben“. Weitere „Baustellen“ seien in Österreich genau wie in Europa die Bezahlung von Praktika sowie das Thema Arbeitszeit: „Europa schenkt uns Zeit“, sagte Regner und betonte dabei die Notwendigkeit, Arbeitszeit und Freizeit gerecht zu verteilen.
Der zweite Workshop „Frauen. Regionen in Europa“ widmete sich den kommunalen Strukturen und der Frage, wie Frauen in den Regionen von der europäischen Ebene am besten unterstützt werden können. „Auch wenn wir in Europa große Vielfalt haben, sind die Herausforderungen, vor den Frauen im ländlichen Raum stehen, sehr vergleichbar“, fasste Bettina Vollath die zentralen Ergebnisse des Workshops zusammen: „Es geht um die vorherrschenden patriarchalen Strukturen und es geht um Rahmenbedingungen wie Mobilität, Kinderbetreuung, Arbeits- und Ausbildungsplätze, die in den Städten wesentlich besser vorhanden sind.“ Hier seien europäische Förderprogramme, Harmonisierungen sowie Sozial- und Arbeitsrechtsstandards nötig, um zu verhindern, dass Frauen aus ländlichen Regionen abwandern.
„Frauenrechte in Europa“ war der Titel des dritten Workshops, dessen Ergebnisse abschließend von Julia Herr dargebracht wurden. Herr betonte die Notwendigkeit zur „Frauensolidarität“, über die bei Veranstaltungen wie dem Prammer-Symposium nicht nur gesprochen werde, sondern „die man auch fühlen kann“. Der Workshop habe dabei geholfen, einen Überblick zu gewinnen und internationale Best-Practice-Beispiele im Bereich der Frauenpolitik zu analysieren. Herr hob dabei etwa das schwedische Karenzmodell hervor, das die Väterkarenz besonders fördere und nannte die Entwicklung in Polen als Negativbeispiel. Rechtlich gelte es vor allem, existierende Richtlinien umzusetzen und eine Nivellierung nach unten zu verhindern – „dann wird es Erfolge gegeben, da sind wir uns sicher“, so Herr.