Krainer, Regner und Experten einig: Kampf für Steuergerechtigkeit lohnt sich – Steuerbetrug unterminiert die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft
Welche politischen Herausforderungen sich aus den Erkenntnissen der Panama-Papers ergeben, haben SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer und SPÖ-EU-Delegationsleiterin Evelyn Regner mit Richard Murphy von der London City University und dem Schweizer Antikorruptionsexperten Mark Pieth von der Universität Basel diskutiert. Ein zentraler Lösungsansatz gegen Gewinnverschiebung sind strenge, durchsetzbare Transparenzregeln. Unternehmen müssen deklarieren, wo sie Umsätze und Profite machen – und wo sie ihre Profite versteuern, Stichwort Country-by-Country-Reporting. Weiters auf der To-do-Liste für die Politik: Ein weltweites Unternehmensregister mit den relevanten Daten, das vor allem darüber Auskunft geben muss, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist. Staaten, die sich nicht an die Regeln halten, sollten auf Schwarze Listen kommen; und schließlich sei ein Verbot von Briefkastenfirmen zu überlegen.
Evelyn Regner berichtete von ihren Erfahrungen aus dem Lux-Leaks-Ausschuss im Europäischen Parlament. Sie sprach von einer "verrotteten Unternehmensethik", von "Multis, die sich ihre eigenen Regeln, ihr eigenes Recht geschaffen haben". Ein Hauptproblem: "Man weiß nicht, wer die wirklichen Eigentümer sind, wer die wirtschaftlich Berechtigten sind." Dagegen sei allerdings ein Regelwerk im Entstehen; darunter die von der OECD in Gang gesetzte Initiative gegen "Base Erosion and Profit Shifting" (BEPS).
Jan Krainer plädiert dafür, dass man beim Trockenlegen von Steuersümpfen im eigenen Haus beginnen müsse. Österreich habe hier in den vergangenen Jahren beträchtliche Fortschritte gemacht, so z.B. bei der Reform der Gruppenbesteuerung, im Stiftungsrecht, mit der Einrichtung eines Kontenregisters und mit Maßnahmen gegen die Zahlung von künstlich hohen Lizenzgebühren als Mittel zum Zweck der Gewinnverschiebung. Für wesentlich hält es der SPÖ-Finanzsprecher auch, dass man gute Leute in den Steuerbehörden hat.
Aus Sicht des Europäischen Parlaments geht es, wie Regner erläuterte, vordringlich um drei Maßnahmen. Erstens Transparenz: „Das ist unabdingbar, um zu erfahren, was es an Ungerechtigkeiten gibt. Deshalb ist Country-by-Country-Reporting ein wichtiger Schritt, den wir von großen Unternehmen einfordern." Wichtig ist für Regner, dass nicht nur die Finanzbehörden die Informationen bekommen, sondern dass die Daten öffentlich sind.
Zweitens geht es um den Schutz der Whistleblower. Insider, die wichtige Information über Steuerbetrug nach außen tragen, sind nach Ansicht von Regner zu wenig geschützt. Und die Europaparlamentarierin spricht sich drittens für ein Unternehmensregister aus, das die wirklich relevanten Informationen liefert. Im Unterschied zum österreichischen Firmenbuch hätten Register in anderen Staaten weit geringere Auflagen, was alles eingetragen werden muss in Hinblick auf Eigentümer, Rücklagen, Basisdaten usw. und im Hinblick auf die Datenintegrität, also z.B., wie aktuell die Daten gehalten werden müssen.
Zwtl.: "Das dreckige Geld sammelt sich am Ort der geringsten Regulierung
Mark Pieth, der gemeinsam mit Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz den Skandal um die Panama-Papers aufzuarbeiten begonnen hat (und nach wenigen Monaten das Mandat gemeinsam mit Stiglitz zurückgelegt hat, weil sie zu wenig Unterstützung von der Regierung bekommen haben), hat die Lehren aus Panama so zusammengefasst: "So wie Wasser an den tiefsten Punkt fließt, sammelt sich das dreckige Geld am Ort der geringsten Regulierung."
Die geleakten Panama-Papers haben einen "fast zufälligen Ausschnitt aus der Schattenwirtschaft" gezeigt (Hintergrund: Ein Insider hat Dokumente einer der größten Offshore-Beratungsfirmen von über 200.000 Briefkastenfirmen öffentlich gemacht). Was man daran sehe: Einerseits "eine Reihe von Leuten, die man ganz einfach dem organisierten Verbrechen zuordnen muss". Dagegen wirke die andere Gruppe der Steuerhinterzieher "fast harmlos". Aber sind sie das? – Pieth verneint das mit Nachdruck: "Nein, sie unterminieren den Sozialstaat." Er sieht Panama als "eine Servicestation im weltweiten Offshorism", und leider nicht die einzige.
Er spricht sich in einer gemeinsamen Publikation mit Stiglitz ("Overcoming the Shadow Economy") dafür aus, dass es ein weltweites Gesellschaftsregister geben soll, wo herauszulesen ist, wem ein Unternehmen wirklich gehört. Wenn die Behörden wissen, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist, wäre man schon recht weit. Und er erhofft sich von Europa eine klare Stellungnahme zum "weltweiten Problem Offshorismus", denn von den USA unter Trump sei derzeit nicht viel zu erwarten.
Zwtl.: "Transparenz ist die wichtigste Waffe gegen Steuerbetrug"
Richard Murphy, ein deklarierter Sozialdemokrat, machte klar: "Steueroasen zerstören die Marktwirtschaft. Die, die an Steuergerechtigkeit glauben, sind die besten Freunde der Marktwirtschaft." Steuerflucht und Steuervermeidung summiert sich in Europa wertmäßig auf 1.000 Milliarden Euro pro Jahr. Die wichtigste Waffe dagegen ist für Murphy Transparenz. Er plädiert für County-by-country-Reportings, denn die liefern "die Smoking-Gun, die auf den Eigentümer zielt".
Steuerflucht, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung führen zu höheren Zinssätzen und geringeren Investitionsraten. "Nicht nur fehlen die Steuern, die ganze Wirtschaft wird unterminiert", so Murphy. Er weist darauf hin, dass mittlerweile die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die OECD sagen, dass Ungleichheit ein Hauptproblem sei. Murphy zeigte sich besorgt, dass Großbritannien sich in Richtung Steueroase entwickeln könnte. "Wenn das passiert, ich bitte Sie, setzen Sie uns auf eine Schwarze Liste."
Zwtl.: "Gerechter Anteil beim Zahlen und Bekommen"
Auf europäischer Ebene will Krainer auch noch über eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer diskutieren und – das gehöre hier unbedingt dazu – auch über eine Mindest-KÖSt. Denn, wenn man das nicht angeht, „kommt Steuerwettlauf nach unten"; ein Wettlauf, der nur den Multis nutze, der gesamten Wirtschaft und der Gesellschaft aber schade. "Wenn einer weniger Steuern zahlt, wird ja nicht der Kindergarten billiger, sondern die Leistung wird schlechter oder es muss wer anderer zahlen", so Krainer.
Kapitaleinkommen bekamen in den letzten Jahrzehnten einen immer größeren Anteil an den gesamten Einkommen (30 bis 40 Prozent), aber haben einen sinkenden Anteil am gesamten Steueraufkommen (15 bis 20 Prozent); auf der anderen Seite bestreiten ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen 80 bis 85 Prozent der gesamten Steuerleistung. Krainer: "Es geht um den gerechten Anteil, sowohl beim Zahlen als auch beim Bekommen. Dafür soll jeder einen gerechten Steuerbeitrag leisten."
Regner hält die internationale Zusammenarbeit für immer wichtiger. Denn die andere Seite, die Konzerne unterstützt durch global agierende Wirtschaftsberatungsunternehmen, sei international aufgestellt und mache sich Unterschiede in den nationalen Regelungen zunutze. "Wenn der Wille zur Zusammenarbeit gering ist und Staaten versuchen, sich gegenseitig auszubooten, niederzudumpen, und dann haben wir die Misere", so Regner.
Krainer ergänzte: "Wir werden um eine Harmonisierung von Steuern nicht umhinkommen." In Zeiten von wenig Export und Kapitalverkehrskontrollen mag das ok sein, wenn jeder Staat seien eigenen Regeln habe, aber wenn heute die Hälfte der Produktion in den Export geht und die Hälfte des Konsums aus dem Import kommt, sei es Zeit für gemeinsame Regeln.
Zwtl.: "Sie brechen nicht das Gesetz, sie schreiben es"
Im Zusammenhang mit den global agierenden Wirtschaftsberatern wies Murphy darauf hin, dass gerade von diesen Unternehmen der Widerstand dagegen kam, Country-by-Country-Reporting als Rechnungslegungsstandard zu fixieren. Murphy: "Sie brechen nicht das Gesetz, sie schreiben es." Er zählt auf das Europäische Parlament; es müsse klar machen, dass diese Themen wieder von der Politik entschieden werden.
Regner sieht das auch so; sie meint, dass nach der Wirtschaftskrise die Beratungs- und Prüfungsfirmen aus dem Fokus geraten seien, weil sich alle auf die Rating-Agenturen konzentriert hätten. Sie spricht sich für strengere Regulierung der Beratungsfirmen aus. Dass die EU mitunter auch mutig sei, habe die Kommission im Fall Apple gezeigt, als sie dem US-Konzern eine Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro aufbrummte. "Die Entscheidung der Kommission zu Apple ist mutig. Das ist der richtige Weg", so Regner.
In puncto Schwarze Listen verlangt das Europäische Parlament, dass die Kommission objektive Kriterien ausarbeitet. "Das Thema ist dauernd auf der Tagesordnung", so Regner. Auch Krainer hält viel von diesem Instrument. Schon die Drohung, dass Österreich auf eine graue Liste komme, habe viel bewirkt im Hinblick darauf, eine zivilisierte Gesetzgebung durchzusetzen, so Krainer.