Fristenregelung

Bild: SPÖ Frauen

Im Jänner 1975 ist die Fristenregelung in Kraft getreten und damit wurde von Prof.in Johanna Dohnal ein Meilenstein in der Frauenpolitik gesetzt. Die Fristenregelung ist eine so wichtige Errungenschaft, weil sie das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper sicherstellt.

Da die Fristenregelung noch immer auf Widerstand stößt, sind die Forderungen der SPÖ-Frauen aktueller denn je:

  • Gleicher und leistbarer Zugang zu den Landeskliniken,
  • Umfassende Sexualerziehung an allen Schulen und sachliche Information über Empfängnisverhütung auch in den    Massenmedien
  • Ärztliche Beratung der Frau zur Verhinderung weiterer Schwangerschaftsabbrüche

Gesetzesentwicklung

Das erste große österreichische Strafgesetzbuch aus 1768, sah für die Abtreibung die Todesstrafe vor. Die josefinische Strafrechtsreform von 1787 erlaubte erstmals einige Ausnahmen aus der Bestrafung. 1803, mit geringfügigen Veränderungen 1852, wurde die Formulierung des bis zum Jahre 1975 geltenden § 144 geschaffen.

Christlichsoziale und Nazidiktatur verschärften die Strafbestimmungen. 1937 wurden die Höchststrafen auf zehn Jahre schweren Kerkers hinaufgeschraubt. Die Möglichkeiten medizinischer Indikation wurden eingeschränkt. Die Nazidiktatur sah die Todesstrafe vor. Nach 1945 bestimmten die §144 bis 148  Höchststrafen bis zu fünf Jahren für die Frau und bis zu zehn Jahren für den Abtreiber, falls die Frau dabei zu Schaden gekommen ist, vor.

„.. noch nie eine reiche Frau wegen Abtreibung vor dem Richter gestanden ist“

Dieser Ausspruch des deutschen Justizministers Gustaf Radbruch aus der Weimarer Republik wurde durch eine Untersuchung am Gerichtssprengel Linz (1962 bis 1971) voll bestätigt. In dieser Zeit gab es 89 Verfahren und 47 Verurteilungen. Von den 47 Verurteilten fanden nur drei einen Arzt, 44 gingen zu Pfuschern oder versuchten sich selbst „zu helfen“.  25 Frauen waren Hilfsarbeiterinnen, 17 Hausfrauen, 5 Angestellte. 20 waren verheiratet, 11 davon mit einem Hilfsarbeiter. 31 Frauen hatten bereits Kinder, 5 davon mehr als vier Kinder. 43 waren vorher völlig unbescholten.

Liberalisierung ein altes Anliegen der Sozialdemokratie

Unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg herrschte in Österreich „eine außerordentliche Milderung in der Anklageerhebung und der Spruchpraxis“ zum § 144. (Karl Kautsky 1924).  Die bürgerlichen Koalitionsregierungen verschärften jedoch diese Praxis. 1923 brachte die sozialdemokratische Abgeordnete Adelheid Popp den ersten Fristenregelungsantrag,  mit Dreimonatsfrist, im Parlament ein. Dieser wurde von der bürgerlichen Mehrheit abgewiesen.

1926 wurde die Abschaffung des §144 in das Linzer Parteiprogramm aufgenommen.

Das Parteiprogramm forderte:

  • Errichtung öffentlicher Berastungsstellen zur Belehrung über gesundheitsunschädliche  Mittel zur Verhütung der Empfängnis.
  • Beistellung solcher Mittel durch die Krankenkassen.
  • Die Unterbrechung der Schwangerschaft ist für straffrei zu erklären, wenn sie von einem Arzt in einer öffentlichen Heilanstalt auf Antrag der Schwangeren vorgenommen wird.
  • Die Operation ist unentgeltlich vorzunehmen.
  • Die öffentlichen Heilanstalten sind dazu verpflichtet die Operation vorzunehmen, wenn die Geburt eines lebensuntüchtigen Kindes zu erwarten ist, oder die Fürsorge feststellt, dass die wirtschaftliche Existenz,  das berufliche Fortkommen oder die Erziehung der bereits lebenden Kinder der Schwangeren gefährdet sind.

2. Republik: Indikationenmodelle

In der zweiten Republik wurde von den Justizministern Tschadek (SPÖ) und Broda eine Strafrechtskommission eingerichtet, die sich auch mit der Reform des §144 beschäftigte. 1957 wurde ein Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, der das Delikt für die schwangere Frau zum Vergehen herabstufte, den Strafrahmen auf maximal ein Jahr herabsetzte und vorsah, dass auch von Strafe abgesehen werden konnte. Während der ÖVP Alleinregierung wurde nicht nur dieser Entwurf nicht verwirklicht, sondern ein Entwurf mit  Verschärfungen 1968 von der ÖVP eingebracht, der den Stand der Strafgesetznovelle 1937 wiederhergestellt hätte. Er wurde wegen des heftigen Widerstandes der SPÖ nicht verwirklicht.

Im Justizprogramm 1969 stellte Christian Broda ein weitgehendes Indikationenmodell im Sinne der Strafrechtskommission vor. Dieser Vorschlag wurde 1971 ins Parlament eingebracht.

Dieser Gesetzesentwurf fand den erbitterten Widerstand katholischer Kreise und es wurde dagegen zunächst eine Unterschriftensammlung und dann ein Volksbegehren (24. November bis 1. Dezember 1975, 895.665 Unterschriften, 17,92 % der Stimmberechtigten) initiiert.

Auch in der SPÖ regte sich Widerstand. Im Jänner 1972 trat ein Komitee von acht jungen Frauen an die Öffentlichkeit und forderte die völlige Abschaffung des §144. Schon im Dezember 1971 hatte das Komitee prominente Unterschriften für die Abschaffung gesammelt und auch in der SPÖ, besonders bei den Frauen und in den Jugendorganisationen den Boden aufbereitet. Es fanden Marktaktionen, Unterschriftenaktionen statt. In die Parteibezirke wurden Musteranträge für den Villacher Parteitag im April 1972 gebracht. Der Parteitag nahm den Antrag zur Fristenregelung des Bundesfrauenkomitees an. Am 11. Mai 1973 wurde der Gesetzesantrag ins Parlament eingebracht. ÖVP und FPÖ brachten verschiedene Indikationenanträge ein, jedoch wurde im November 1973 der Fristenregelungsantrag mit den Stimmen der SPÖ beschlossen.

In Kraft tritt das Gesetz mit Beginn des Jahres 1975.

Parallel zur Fristenregelung setzte die SPÖ-Alleinregierung 1974 eine Reihe von Maßnahmen im Interesse von Müttern und Kindern bzw. entsprechend dem Motto „Helfen statt strafen“.

Flankierende Maßnahmen zur Fristenregelung:

  • Einführung des Mutter-Kind-Passes im Interesse der Gesundheit (werdender) Mütter und ihrer Kinder. Schwangere bzw. Mütter erhielten, wenn sie die Untersuchung durchführen ließen, eine erhöhte Geburtenbeihilfe
  • Verlängerung der Mutterschutzfrist vor und nach der Entbindung
  • Erhöhung des Karenzgeldes und Ausbezahlung an alle anspruchsberechtigten Frauen – unabhängig vom Einkommen des Ehemannes
  • Ausbau eines flächendeckenden Netzes von Familien- und Partnerberatungsstellen, die im Falle persönlicher und familiärer Problemen fundiert beraten und über mögliche Hilfestellungen informieren. Zum Aufgabenbereich der Familienberatungsstellen gehört ausdrücklich auch die Beratung von Schwangeren in Krisensituationen und die Vermittlung von Information über Empfängnisverhütung. Die Beratung erfolgt kostenlos
  • Erhöhtes Karenzgeld für Alleinerziehende: Um zu verhindern, dass es allein aus finanziellen Überlegungen zu einem Schwangerschaftsabbruch kommt, hatten ab 1974 allein stehende Mütter Anspruch auf ein um 50 % erhöhtes Karenzgeld, und sofern sie vorwiegend allein ihr Kind betreuten, überdies die Möglichkeit nach Auslaufen der Karenzzeit bis maximal zum dritten Geburtstag des Kindes Sondernotstandshilfe zu beziehen. Der Anspruch auf erhöhtes Karenzgeld wurde später ausgedehnt auf Mütter, die verheiratet sind oder in einer Lebensgemeinschaft leben, aber ein geringes Familieneinkommen haben.