Steßl: Auch aus wirtschaftspolitischer Sicht ist eine Steuerreform jetzt wichtig

Steßl-Vortrag zu "Steuern und Gerechtigkeit": "Wie viel Ungerechtigkeit können wir uns noch leisten?" – Ungleichheit hemmt Wirtschaftswachstum – Lohnsteuersenkung stärkt Kaufkraft

Sonja Steßl, Staatssekretärin für Verwaltung und Öffentlichen Dienst im Bundeskanzleramt, hat am Dienstagabend am Juridicum der Universität Wien einen Vortrag zum Thema "Steuern und Gerechtigkeit" gehalten. "Die Frage ist nicht, wie viel Gerechtigkeit, sondern wie viel Ungerechtigkeit wir uns noch leisten können. Ungleichheit hemmt das Wirtschaftswachstum und behindert die Entwicklung eines Staates", betonte Steßl. Eine Senkung der Lohnsteuer würde die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlasten, ihre Kaufkraft und somit die Nachfrage in der Volkswirtschaft stärken. Steßl sprach sich diesbezüglich auch klar für eine Vermögenssteuer aus: "Vermögensbezogene Steuern sind wachstumsfreundlich, weil Konsum oder Investitionen kaum aus Vermögen, sondern aus Einkommen finanziert werden", so Steßl. Die Staatssekretärin ist überzeugt: "Besteuerung sollte nach Leistungsfähigkeit funktionieren. Spitzenverdiener und Vermögende können einen größeren Beitrag zur Finanzierung des Staates leisten. Dadurch wäre eine Entlastung der geringeren Einkommen möglich."

Ungleichheit dämpfe Wachstumschancen, so die Staatssekretärin. Die OECD schätzt, dass durch gestiegene Ungleichheit das Wirtschaftswachstum in den letzten 20 Jahren um 0,35 Prozent pro Jahr geringer ist. "Ungleichheit kostet uns alle", betonte Steßl.

Als 2008 die Wirtschaftskrise ausgebrochen ist, war Österreich eines jener Länder, die durch Investitionen viel getan haben, um das Wirtschaftswachstum zu stimulieren und der Krise gegenzusteuern. Nun trete aber zum ersten Mal seit 2008 der Fall ein, dass Umsatz und Konsum langsam zurückgehen. "Die Krise ist jetzt bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen", so Steßl. Deswegen sei es nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen, sondern auch aus wirtschaftspolitischer Sicht gerade jetzt wichtig, eine Steuerreform umzusetzen.

"Wir haben derzeit ab 11.000 Euro Jahreseinkommen einen Steuersatz von 36,5 Prozent. Viele Menschen können sich ihr Leben kaum mehr leisten. Deswegen ist es wichtig, die Tarife so zu gestalten, dass der Eingangssteuersatz auf 25 Prozent gesenkt wird", unterstrich Steßl. Auch jene Einkommen, die zu gering sind, um besteuert zu werden, etwa bei Teilzeitarbeit, Lehrlingen oder Pensionistinnen und Pensionisten, könnten durch eine Steuergutschrift entlastet werden. "Das Geld, das diese Menschen mehr im Börserl hätten, würde eins zu eins konsumiert und somit in die Volkswirtschaft zurückgeführt werden", so die Staatssekretärin.

Zur Frage der Finanzierung der Steuerreform betonte Steßl, dass sie einer Verwaltungsreform positiv gegenübersteht: "Strukturreformen sind gerade im digitalen Zeitalter wichtig. Wir müssen die Verwaltung auf neue Beine stellen." Es sei aber utopisch zu glauben, dass man alleine dadurch schnell genug ausreichend Geld hineinspielen könne. Deswegen solle die Finanzierung der Steuerreform auch aus Steuerbetrugsbekämpfungsmaßnahmen und vermögensbezogenen Steuern wie der Millionärsabgabe und der Erbschafts- und Schenkungssteuer erfolgen.

An die Gefahr der Kapitalflucht glaubt Steßl nicht: "Dem Kapitalfluchtargument begegnet man in jeder Steuerdiskussion. Auch die Schweiz hat eine Vermögenssteuer und auch dort sind die Millionärinnen und Millionäre nicht abgewandert. Das ist in vielen Ländern zu beobachten." Weiters handle es sich bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer um keine Doppelbesteuerung. "Steuersubjekt ist die Erbin oder der Erbe und diese haben für das Ererbte noch keine Steuern bezahlt", so Steßl. Ertragsschwächere Klein- und Mittelbetriebe würden außerdem kaum belastet werden, da ein Freibetrag von einer Million Euro gelte.

 

Foto: Parlamentsdirektion/SIMONIS