Leserinnenbrief von Gisela Wurm, Nationalrätin

Sehr geehrte Redakteure!

Zum „profil“-Artikel vom 1. April „Löhne: Die Wahrheit über die Ungleichheit“ von den Autoren Gernot Bauer und Robert Treichler möchte ich folgendes festhalten:

Österreichs Frauenpolitikerinnen als Realitätsverweigerinnen und Lügnerinnen darzustellen, ist tiefes Niveau und entbehrt zudem jeder sachlichen Grundlage. Niemand hat je in Abrede gestellt, dass Frauen um 12 Prozent (oder 18 Prozent – wie eine andere Studie herausfindet) weniger verdienen als Männer, wenn man die erklärbaren Unterschiede herausrechnet. Unbestritten ist aber, dass es eben noch immer Ungleichheiten gibt, die durch nichts anderes zu erklären sind, als dass man eben eine Frau ist.

Die Art der Diskriminierung, die der Artikel beleuchtet, betrifft ja auch nur ein Detail der Ungleichbehandlung von Frauen in der Gesellschaft. Es handelt sich dabei um offene Diskriminierung von Frauen bei gleicher Qualifikation im selben Betrieb. Dazu hat Frauenministerin Heinisch-Hosek mit den verpflichtenden Einkommensberichten bereits einen großen politischen Erfolg zu verbuchen und diese Art der Frauendiskriminierung wird für Unternehmen zunehmend schwieriger werden.

Darüber hinaus geht es auch und vor allem darum, dass mehr Frauen als Männer in schlecht bezahlten Branchen arbeiten, dass sich weniger Frauen in den Chefetagen finden, dass sie ihre Karrieren kinderbetreuungsbedingt öfter und länger unterbrechen und sich noch immer zu wenige Mädchen für technische Berufe interessieren.

Sie können sicher sein, wir werden weiter daran arbeiten, dass sich die gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen weiter so verändern, bis tatsächliche Gleichstellung erreicht ist. Wir werden nicht aufhören zu trommeln bis „Frauen- und Männerarbeit“ nicht mehr unterschiedlich bewertet und entlohnt wird, wir gleich viele Frauen wie Männer in den Chefetagen der Unternehmen und der Politik haben, mehr Frauen in der Technik, mehr Männer in den Kindergärten und Volksschulen, mehr Männer in Karenz, flächendeckende ganztägige Kinderbetreuungseinrichtungen, Ganztagsschulen und last but not least mehr Chefredakteurinnen in Zeitungsredaktionen!

Abschließend möchte ich noch hinzufügen: Dass es den Autoren im Artikel nicht wirklich um Fakten geht, zeigt sich spätestens beim Vergleich des „Equal Pay Day“ mit  dem „Welttag der Feuchtgebiete“ oder den „Tag des Artenschutzes“ klar. Hier geht es offenbar bloß darum, einen vorgeblichen Sensationsbericht und „Aufreger“ zu landen und „Quote“ zu machen. Das hat mit Qualitätsjournalismus, wie ich ihn vom „profil“ an sich erwarte, nichts zu tun. Schade!
 
Mit freundlichen Grüßen,
NRAbg. Mag.a Gisela Wurm
SPÖ-Frauen- und Gleichbehandlungssprecherin